Rückenschmerzen – so wichtig ist dein Gangbild.
Rückenschmerzen - so wichtig ist dein Gangbild.
In diesem Artikel möchte ich dir zeigen, wie wichtig eine ganzheitliche Betrachtung in Bezug auf dein Gangbild für die Symptomatik des Rückenschmerzes ist. Der Auslöser für Schmerz ist selten die Ursache. Entscheidend ist häufig, wie effizient und flüssig deine Bewegung aussieht."So wichtig ist für dich dein Gangbild..."
Die Basics
Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass der Körper dreidimensional ist und somit auch beim Training alle drei Dimensionen betrachtet werden müssen. Bei den drei Ebenen handelt es sich um die Sagittal-, die Frontal- und die Transversalebene. Am Beispiel eines Schrittes mit deinem linken Bein nach vorne würde das Folgendes bedeuten: Du erzeugst – eine Flexion in der sagittalen Ebene, die dein Becken nach vorne beugt, – in der frontalen Ebene eine Adduktion, die das Becken nach links und das Knie nach innen verschiebt und – in der transversalen Ebene eine Innenrotation am linken Hüftgelenk, die durch die Linksrotation der Schulterachse hervorgerufen wird.
Das höchste Ziel beim funktionellen Training besteht darin, in allen drei Ebenen gleichzeitig zu agieren. Neben der Betrachtung der drei Bewegungsachsen ist zudem aber wichtig, dass du die Schwerkraft nicht außer Acht lässt. Diese ist ein allgegenwärtiges Naturgesetz und wirkt auf dich von oben nach unten. Ihr Ziel ist es, deinen Körper zum „Zusammenklappen“ zu bringen. Deine Muskulatur und der Aufbau deines Körpers wirken ihr völlig unterbewusst schon im Stand entgegen. Betrachten wir nun wieder den Schritt, durch den du eine Bodenreaktion hervorrufst. Im Moment des ersten Bodenkontaktes schalten sich diverse Muskelschlingen in deinem Körper an, während dein gesamter Körper in seiner Bewegung abgebremst wird. Dein Oberkörper fällt nach vorne und unten ab. Die Schwerkraft und deine Eigenbewegung, in Zusammenhang mit der Auftaktbewegung auf dem Boden, zwingen dich dazu, die Hüfte zu beugen. Diese Beugung entsteht nicht durch einen aktiven Impuls deiner hüftbeugenden Muskulatur, sondern einzig und allein auf Grund physikalischer Naturgesetze.
Schlussfolgernd heißt das, dass die Schwerkraft als wichtigstes Trainingsgerät verwendet werden sollte! Gerade die Ansteuerung der Hüfte stellt bei vielen Menschen eine große Schwierigkeit dar. Dabei stellt die Hüfte die Verbindung des oberen und unteren Teils deines Körpers sicher sowie deren Verbindung untereinander und ist daher das wichtigste Glied. Sie wird vom größten Muskel des Körpers überstrahlt, dem M. Gluteus maximus, was bedeutet, dass sie neben einer hohen Beweglichkeit auch hohe Widerstände bewältigen kann. Als Bindeglied zwischen oberer und unterer Körperhälfte ist sie für den Kraftaufbau sowie den Power-Output des Rumpfes, der Schultern, der Arme und der Beine verantwortlich. Da die meisten Menschen ihren Arbeitsalltag vorwiegend im Bürostuhl sitzend verbringen und die Bewegung hier oftmals zu kurz kommt, stellt sich die Frage, warum viele Fitnessstudios ihre Kunden durch entsprechende Trainingsgeräte wieder in genau diese sitzende Position bringen. Vielmehr sollte der Klient wieder lernen, seine Hüfte anzusteuern und sich hierfür der einfachsten Mittel bedienen – wie der Schwerkraft.
Die Hüfte - synergistische Bewegungsmuster
Betrachten wir im Folgenden die Hüfte im sogenannten Antagonisten-Modell einmal genauer:
Hierbei wird schnell klar, dass die klassische Betrachtung von Muskelfunktionen in unserer funktionellen Welt längst hinfällig ist. Das Antagonisten-Modell, wie es in vielen Ausbildungen noch immer geschult wird, lehrt, dass der Beinbeuger dem Beinstrecker immer entgegengesetzt agiert. Ich sehe bei dieser Betrachtungsweise die Problematik im fehlenden Transfer von einer sitzenden oder liegenden Position in eine aufrecht stehende. Wird der Oberschenkel beispielsweise in einer sitzenden Position trainiert, so gibt es die Möglichkeiten der Kniestreckung oder der Kniebeugung. In diesem Falle wirken die beidseitigen Muskeln tatsächlich entgegengesetzt. Die Betrachtung geschieht aber nur in sagittaler Ebene, also mit einem Drittel der möglichen Bewegungsfreiheiten. Allerdings erachte ich es als nicht sehr sinnvoll und zielführend, die Hüfte in einer liegenden oder sitzenden Position zu trainieren, wobei es hier natürlich sportartspezifische Ausnahmen gibt.
Betrachten wir wieder den Gang, der die wohl wichtigste funktionelle Übung darstellt: Der Beinbeuger wird beim Auftreten mit der Ferse aktiviert und verhindert, dass du nach dem Schritt in Richtung Boden „kollabierst“. Zudem bremst er in sagittaler Ebene das Kippen des Beckens ab, das du selbst durch diesen einen Schritt nach vorne ausgelöst hast. Da sich von dieser Muskelgruppe auch Ansätze unterhalb des Knies befinden, entsteht eine Muskelspannung. Diese erhöhte Muskelspannung zieht dein Knie wiederum nach hinten, also in eine Streckung. Der Beinbeuger (ischiocrurale Muskelgruppe) unterstützt also bei der Kniestreckung im Gang. Funktionell betrachtet ist er daher kein Antagonist des Beinstreckers, sondern ein Synergist.
Für dein Training oder deine Reha ist es wichtig, diese synergistischen Bewegungsmuster so bald wie möglich zu integrieren. Da, wie bereits erwähnt, keine Übung funktioneller als das Gehen ist, sollte sich deine Trainingsplanung hauptsächlich an dieser Funktion orientieren. Hauptkriterium für die Wahl der richtigen Übung sind deine Gelenkbewegungen. Oftmals werden Übungen wie beispielsweise Crunches oder Brusttraining in Rückenlage, isolierte Schulterübungen oder Miniband-Abduktionen empfohlen, die jedoch eher muskelorientiert und damit meiner Überzeugung nach klassische Beispiele für falsch verstandene Bewegungsideen zu deinen Muskelfunktionen sind.
Vier Grundbewegungen im funktionellen Training der Hüfte
Da funktionelle Übungen oftmals komplexer sein können, gehe ich immer vom Einfachen zum Schweren. Einfach bedeutet hier allerdings keinesfalls, dass die Übung nicht auch anstrengend sein kann. Es bedeutet lediglich, dass die Zahl der Belastungsvariablen verringert und somit der Raum für Fehler und die mögliche Anzahl an Kompensationsbewegungen kleiner wird. Als Trainer ist es dadurch einfacher, diese zu erkennen. Und entsprechend leichter ist es, entgegenzuwirken. Um dieses Prinzip verständlich zu machen, findest du hier vier Hüft-Übungen und die jeweiligen Kompensationsmuster.
Für diese Übungen setze ich den von mir entwickelten PATrigger ein. Diesen findest du abgebildet auf den Übungsbildern. Du kannst allerdings auch ähnliche Faszienrollen mit einem maximalen Durchmesser von 10 cm und einer Breite von 35 cm benutzen. Bevor ich den PATrigger zur Verfügung hatte, nutzte ich zum Beispiel runde Verpackungskartonagen als Trainingsrolle. Diese habe ich damals auf die entsprechende Breite gekürzt und „zweckentfremdet“ eingesetzt.
Bewegung 1
Diese Bewegung ist der erste Schritt zur Hüftdynamik. Sie dient vor allem der erhöhten Ansteuerung der Hüfte in einem beidbeinig parallelen Stand. Die Bewegung nach oben soll hauptsächlich aus der Hüftmuskulatur initiiert werden. Der Fokus liegt auf der sagittalen Ebene: Positioniere deine Trainingsrolle auf Hüfthöhe an der Wand und lehne dich rücklings dagegen. Stehe mit den Füßen hüftbreit und etwas mehr als eine Fußlänge von dieser entfernt. Ziehe den Bauchnabel zur Wirbelsäule nach innen und öffne deinen Brustkorb nach vorne oben. Senke nun deine Hüfte, nah an der Wand, so weit wie möglich nach unten ab. Halte hierbei mit deinem ganzen Fuß Bodenkontakt. Deine Blickrichtung bleibt neutral nach vorne gerichtet. Atme beim Aufstehen aus.
Häufige Kompensationsmuster:
1. Bei der Aufstehbewegung schieben sich die Knie nach innen – achte daher auf den vollständigen Fußkontakt vor allem mit den Außenkanten.
2. Der Blick wird nach unten geneigt oder oftmals auch die Schultern nach vorne und nach oben gezogen. Hier bietet deine Trainingsrolle einen Anhaltspunkt: Je stärker die Ausprägung dieser Kompensation, desto häufiger muss die Rolle neu positioniert werden. Die Trainingsrolle dient folglich als Feedback einer kontrollierten und sauber angesteuerten Bewegung. Sie verhindert auch zu hohe Ausführungsgeschwindigkeiten. Es greift die Grundregel: Kontrolle geht vor Geschwindigkeit! Das Hüftgelenk wird hier vorrangig in der sagittalen Ebene bewegt. Wir unterbinden Frontal- oder Transversalbewegung, um die Kompensationsmöglichkeiten zu minimieren und uns vollkommen der Ansteuerung einer Aufstehbewegung widmen zu können. Das Gelenk arbeitet in einer Achse mobil und in zwei Achsen stabil. Wir sprechen hier von der sogenannten „Mostabilität“. In diesem Falle findet Bewegung nur in einer Achse statt, während die beiden übrigen stabil bleiben. Mobilität und Stabilität sind also keine trennbaren Konstrukte, sondern müssen in ihrem ständigen Zusammenwirken betrachtet werden.
Bewegung 2
Häufige Kompensationsmuster:
1. Das Knie des Standbeins wird zu sehr nach vorne geschoben und die Ferse verliert den Bodenkontakt. Steuere die Übung noch mehr mit der Hüfte an, um die Bewegung eher nach unten und hinten auszuführen.
2. Das hintere Bein weist entweder in den Zehengelenken, im Sprunggelenk oder im Kniegelenk mangelnde Mobilität auf. Diese Übung eignet sich generell als guter Test dieser Gelenke und eignet sich daher auch immer wieder als Re-Test nach entsprechenden Mobilitätsinterventionen. Erhöhe den Abstand zur Wand und vereinfache so die Gesamtbewegung durch mehr Spielraum. Hier handelt es sich um ein Kniebeugemuster, allerdings in einer Ausfallschrittposition. Die Anforderung steigt hier also hinsichtlich der Komplexität. Der Hauptfokus liegt immer noch in der Beugung und Streckung. Durch die maximale Beugung des hinteren Knies, entsteht eine Dehnung des hinteren Oberschenkels. Die Bewegungskontrolle erfolgt über die vordere Hüfte.
Bewegung 3
Häufige Kompensationsmuster:
Durch die zusätzliche Oberkörper-Rotation kann es bei etwas bewegungseingeschränkten Kunden im Bereich der Hüfte und/oder Wirbelsäule zu einem stärkeren Ausweichen des Knies führen. Hier kann der Grad der Rotation minimiert werden und dabei ein deutlicherer Fokus auf die Arbeit mit dem Fußkontakt erfolgen. Auch das Abheben der vorderen Ferse ist zu beobachten. Hier hilft oftmals schon eine langsamere kontrollierte Abwärtsbewegung (kein „Fallenlassen“). Dies ist die letzte Übung, welche wir vor einem echten Ausfallschritt zur Ansteuerung der Hüfte durchführen. Der Fokus liegt auf dem Einfluss, den eine Oberkörper-Bewegung auf das Becken ausüben kann. Es sollte eine klar erkennbare und sich zeitlich verzögernde Rotation des Oberkörpers zum Becken eintreten. Das heißt, der Oberkörper dreht sich mit der Schulterachse zur Wand, bevor eine Drehung der Beckenachse erkennbar wird. Sollte sich das Knie gleichermaßen mit dem Becken drehen, ist dies ein Indiz für eine mangelnde Innenrotation der Hüfte.
Bewegung 4
In der letzten und komplexesten Übung erfolgt eine Gewichtsverlagerung durch einen Schritt. Aus einer tiefen Position, bei der die hintere Ferse die Wand berührt, erfolgt ein Schritt nach vorn. Während dieser Aufstehbewegung wandert die Faszienrolle von der einen Hüftseite auf die andere. Sie ruht in der Standposition auf der Hüftseite des Standbeines, wobei der Brustkorb nach oben geöffnet und die vordere Hüfte gestreckt wird.
Häufige Kompensationsmuster:
1. Die Aufstehbewegung wird nicht bis zur vollständigen Streckung des Standbeines in Knie und Hüfte durchgeführt. Durch eine bewusst kontrollierte Anspannung des Gesäßes wird diese Hüftstreckung trainiert und automatisiert mit fortlaufender Übung des Bewegungsmusters. Hierbei ist auch auf eine Streckung und Öffnung des Brustkorbs zu achten. Der Einsatz einer gezielten Spannung auf den Rumpfbereich ist unabdinglich.
2. Beim Schritt aus der Standposition nach hinten zur Wand (ablassende Bewegung) ist der Fokus auf der Fähigkeit, die Bewegung nach unten abzubremsen. Das Abbremsen erfolgt über die Hüfte des Standbeins und nicht durch ein Lehnen des hinteren Beines in die Wand oder gar eines Stützens gegen den Boden. Diese Muster lassen sich bei mangelnder Hüftkontrolle beobachten. Es hilft, mit verringertem Abstand zur Wand oder auch nicht maximaler Beugung nach unten zu variieren.
Fazit
Diese vier Bewegungen dienen als Möglichkeit, komplexe Muster der Hüftansteuerung progressiv, also mit steigender Anzahl der Freiheitsgrade, zu automatisieren. Je flüssiger und einfacher diese Bewegungen ausgeführt werden, desto besser ist die Aktivierung der hüftumgebenden Muskulatur. Ich setze diese Bewegungen sehr gerne auch in einem Beintraining ein, bevor ich mich an dynamischere Muster mit mehreren Schritten und Sprüngen oder auch Bewegungen mit höherem externen Gewicht wage. In einer Reha oder auch als präventive Maßnahme zu einer Feinkoordinierung und verbesserten Ansteuerung der Hüfte haben sich diese Bewegungen bereits bewährt. Ich freue mich, wenn diese Übungen ab sofort auch in deinem Training einen Platz finden. Sende mir gerne ein Feedback mit deinen Erfahrungen zu.
Dein Patrick
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